Normungsroadmap Circular Economy schafft wichtige Voraussetzungen für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft

Große Mengen Sekundärrohstoffe aus dem Urban Mining stehen für eine zweite Nutzung bereit
Große Mengen Sekundärrohstoffe aus dem Urban Mining stehen für eine zweite Nutzung bereit
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Die Roadmap beschreibt die Herausforderungen im Bereich der Circular Economy für die verschiedenen Branchen und welche Normen und Standards benötigt werden, um diesen zu begegnen. Veröffentlicht wurde die Roadmap vom Deutschen Institut für Normung e. V. (DIN), der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE) und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Sie wurde von mehr als 550 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft erarbeitet und vom Bundesumweltministerium (BMUV) gefördert. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Die Qualität von Materialien, Produkten oder auch Prozessen kann ohne Standards von Unternehmen und Verbraucher*innen nicht eingeschätzt werden und nur durch zusätzlichen Aufwand und Kosten ermittelt werden. Eine erkennbare gute Qualität ist aber eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen in Recyclingmaterialien und -produkte. Normen sind wichtig, damit sich überhaupt ein Markt für Recycling-Material entwickeln und etablieren kann.

Exkurs:
Auch in der vierten Veranstaltung der Stadt-Land-Plus Online-Reihe zum Thema „Kreisläufe schaffen! Durch regionale Kreislaufwirtschaft die lokale Wertschöpfung steigern“ am 29. November 2022 wurden die Aspekte von Qualität und Vertrauen, Normung und Gewährleistung als wichtiger Hebel für eine stärkere Kreislaufwirtschaft identifiziert. Zur Dokumentation der Veranstaltung gelangen Sie hier.

Die Normungsroadmap Circular Economy hat wichtige Vorarbeiten für die Bundesregierung geleistet, die das Thema Normung in der EU voranbringen und europaweit Anforderungen an Produkte gemeinsam mit den Herstellern festzulegen. Entsprechende Normen und Standards sollen auf Basis der Roadmap in nationalen, europäischen und internationalen Gremien erarbeitet werden. Alle interessierten Experten*innen sind dazu eingeladen, die Spielregeln der Circular Economy aktiv mitzugestalten.

Die Roadmap definiert Schnittstellen und soll die klare Kommunikation zwischen den verschiedenen Stationen im Kreislauf sicherstellen. Die Synchronisierung von Gesetzgebung und Standardisierung kann zur Beschleunigung der Transformation zur Kreislaufwirtschaft beitragen.

Die sieben Schwerpunktthemen der Roadmap orientieren sich an den Fokusthemen des Circular Economy Action Plans der EU: Digitalisierung, Geschäftsmodelle und Management; Elektrotechnik und IKT, Batterien, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien, sowie Bauwerke und Kommunen. Für diese Bereich zeigt die Roadmap den Status Quo der Normung und Standardisierung sowie Bedarfe für künftige Normen und Standards auf. Wichtige Themen in diesem Zusammenhang sind z.B. Qualitätsanforderungen an Sekundärrohstoffe und die Definition der Langlebigkeit von Produkten. Über alle Schwerpunkte hinweg werden fünf Querschnittsthemen bearbeitet: Nachhaltigkeitsbewertung, Lebensdauerverlängerung, Digitaler Produktpass (DPP), Recyclingfähigkeit und End of Waste.

Die konkrete Umsetzung wird koordiniert durch den Fachbeirat Circular Economy von DIN und DKE in der Koordinierungsstelle Umweltschutz (KU), in dem Experten*innen aus Wirtschaftsverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaft und Forschungseinrichtungen sowie öffentlicher Hand vertreten sind.

Akteure*innen aus der Wirtschaft wünschen sich in Bezug auf Gewährleistungspflichten für gebrauchte und wiederaufbereitete Produkte und Wertstoffe bereits seit längerem entsprechende Unterstützung durch die Politik. Das Beispiel der Sanierung des Kaufhauses am Hermannplatz in Berlin zeigt, dass bis zu 70 Prozent CO2-Äquivalente und 60 Prozent Baustellenverkehr im Vergleich zu einem konventionellen Umbau eingespart werden können.

Da nicht alle Materialien aus dem „Urban Mining“ direkt vor Ort weitergenutzt werden können, hat das Start-up „Concular“ im Auftrag des Bauherrn*innen einen genauen Überblick über alle Fassadenteile, Fenster, Rolltreppen und den Innenausbau erstellt und ermittelt, wie diese wiederverwendet werden können. Bereits seit 2012 haben die Unternehmer*innen über den Online-Marktplatz „Restado“ als 200.000 Tonnen wiederverwendbare Baustoffe vermittelt. Als größter Marktplatz seiner Art in Europa wandte sich „Restado“ eher an Kleinunternehmen und Privatpersonen, weshalb das Team 2020 Concular gegründet hat, um größere Projekte anzugehen. Über eine Software werden Angebot und Nachfrage zusammengebracht und Materialpässe erstellt sowie die Kunden bei Bestandsaufnahmen, Rezertifizierung, Wiederaufbereitung und dem Wiedereinbau von Materialien unterstützt.

Exkurs:
Ein umfassendes Materialkataster urbaner Sekundärrohstoffe mit Entscheidungshilfetool wird für die Partnerregionen Landeshauptstadt Dresden und Landkreis Meißen im Stadt-Land-Plus-Projekt INTEGRAL entwickelt. Die Lösungsansätze und Handlungsoptionen besitzen für die Partnerregionen beispielhaften Charakter. Mehr Informationen zum Projekt INTEGRAL finden Sie hier.

Ein regionales Gebäude- und Materialkataster zur Wiederverwendung von Bauteilen und Baumaterialien wird für die Region Darmstadt-Dieburg im Stadt-Land-Plus-Projekt WieBauin erstellt. Der Marktplatz im „Bauteilkreisel“ wird ergänzt durch Beratungs- und Unterstützungsangebote, Best-Practice-Beispiele und eine Informationsplattform, die die Wiederverwertung ganzer Bauteile in der Region unterstützen soll. Mehr Informationen zum Projekt WIeBauin finden Sie hier.

Viele Kommunen, Projektentwickler, Architekturbüros oder Immobilienunternehmen suchen nach guten Praxisbeispielen wie diesem. Immer mehr Menschen interessieren sich für nachhaltiges, ressourceneffizientes und zirkuläres Bauen, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Lieferprobleme und Materialengpässe. Da allerdings etwa 50 Prozent der CO2-Emissionen im Bau und nicht im Betrieb entstehen, ist auch ein Wandel von der Energieeffizienz zur Ressourceneffizienz erforderlich. Der Abriss von Gebäuden, um energieeffizient neu zu bauen, ist nicht nachhaltig.

Die Energie für Produktion und Transport der Baustoffe und Rohmaterialien wird als „graue Energie“ in den Gebäuden gespeichert. Neben dem Rückbau und der der Wiederverwertung von Bauteilen könnte auch verstärkt Recyclingbeton genutzt werden, der eine ähnlich hohe Qualität erreichen kann – aber aufgrund gesetzlicher Vorgaben aktuell nur zu einem Anteil von maximal 50 Prozent zugelassen ist. Im Sinne der Suffizienz sollten Bestandsgebäude im Idealfall gar nicht erst abgerissen, sondern durch Umbau besser genutzt werden. Von Architects for Future und andere Gruppen wurde im letzten Jahr sogar ein „Abrissmoratorium“ gefordert.

Es gibt also genügend Konzepte, die jedoch in den seltensten Fällen berücksichtigt werden, da der Veränderungsdruck aufgrund gut gefüllter Auftragsbücher gering ist. Immobilien gelten nach wie vor als sichere und renditestarke Geldanlage und insbesondere in den Großstädten kommen Bauunternehmen kaum der Nachfrage hinterher. Dementsprechend spielt Ressourcenschonung in der Baubranche kaum eine Rolle.

Allerdings wird auch in der Planung die Endlichkeit der Rohstoffvorkommen, insbesondere von großen Bauprojekten, noch nicht ausreichend berücksichtigt. Gleichzeitig wächst der Widerstand gegen den Abbau von Primärrohstoffen. Überregionales Problembewusstsein gibt es bislang kaum, trotz der Vielzahl an Konflikten rund um den Sand- und Kiesabbau. Bestenfalls schaffen es Bürger*inneninitiativen in die lokale Berichterstattung und Einwände gegen den Abbau werden meist als „Nicht in meinem Hinterhof“-Mentalität abgetan. Erst radikale Klimaaktivist*innen ist es gelungen, die durch die Erweiterung des Kiestagebaus Ottendorf-Okrilla bedrohten Moore in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit zu rücken. Kaum jemand hat sich davor für die Bedenken der lokalen Bürger*inneninitiative interessiert – obwohl sich diese seit über zwanzig Jahren gegen eine Erweiterung des Kieswerks einsetzt.

Aber auch an anderen Orten wächst der Widerstand gegen Sand- und Kiestagebaue, insbesondere aufgrund der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Lärm, Staub und Hunderte Lkws. Darüber hinaus muss in der Regel mit erheblichen Auswirkungen auf Natur, Tiere und Pflanzen, Wasser, Boden und Klima gerechnet werden. Durch das Abbaggern von Böden, Sand und Kies gehen wichtige Ökosystemleistungen verloren: z.B. Beiträge zum Klimaschutz durch die Kohlenstoffspeicherung in Böden, aber auch das Wasserreservoir im Boden, das in Dürrezeiten, aber auch als Puffer bei Starkregen und Hochwasser in Zeiten der Klimakrise eine immer wichtiger werdende Funktion hat.

Dabei wäre der Bauboom in den Städten ohne Sand und Kies undenkbar. Als Hauptzutaten für Beton sind sie als günstige Massenrohstoffe nach wie vor der mit Abstand beliebteste Baustoff in der Branche. Jedes Jahr werden über 300 Millionen Tonnen gefördert, was Sand und Kies zu den am intensivsten abgebauten Rohstoffen in Deutschland macht - noch vor Braunkohle. Aufgrund der hohen Transportkosten wird zumeist in einem Umkreis von bis zu 30 Kilometern vom Abbauort geliefert. Die Folge ist eine hohe räumliche Abdeckung mit über 2.200 Sand- und Kiestagebauen in Deutschland, die einen enormen Flächenverbrauch nach sich ziehen: Im Jahr 2021 wurden durchschnittlich über drei Hektar pro Tag für den Abbau beansprucht, was beinahe die doppelte Fläche ist, die für den Braunkohleabbau in Anspruch genommen wird. Allein der Kiestagebau in Ottendorf-­Okrilla (bei Dresden) nimmt eine Abbaufläche von über 290 Hektar.

Um die Produktion aufrechtzuerhalten, braucht das Kieswerk neue Abbauflächen. Eine Grube von 120 Hektar in der Nähe des Dorfes Würschnitz ist bereits seit 1998 genehmigt, 135 weitere Hektar befinden sich im Genehmigungsverfahren. Ähnlich wie in Ottendorf-Okrilla werden in den kommenden Jahren zahlreiche Kiesgruben erschöpft sein.

Dabei gestaltet sich die Erschließung neuer Abbauflächen als zunehmend schwierig: Ein enormer Flächendruck durch bestehende und neue Siedlungs- und Verkehrsflächen, land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen oder Flächen für Naturschutz oder erneuerbare Energien schränkt die Möglichkeiten für den Abbau von Primärrohstoffen erheblich ein. Es ist also höchste Zeit, mehr Sekundärrohstoffe für zukünftige Bauaktivitäten zu nutzen.

Quellen: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), Rat für Nachhaltige Entwicklung, TAZ

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